Schock-Urteil für die Fondsbranche: Milliarden-Rückzahlungen für Fondssparer?

Fünf bis sechs Milliarden Euro zahlen Fondssparer jedes Jahr nur an laufenden Bestandsprovisionen, so unsere Berechnung. Das Geld wird direkt dem Fondsvermögen entnommen und mindert die Rendite. Besonders hoch sind die Bestandsprovisionen bei Aktien- und Mischfonds.

Ein neues Urteil des Bundesgerichtshofes (BGH, III ZR 216/22) könnte nun dazu führen, dass Fondssparer Milliarden Euro zurückfordern können. Das ist besonders interessant für Fondssparer, die noch nicht oder erst seit kurzer Zeit Rentablo-Kunde sind.

Ein DWS-Anleger hatte darauf geklagt, dass ihm die auch als “Vertriebsentgelt” bezeichneten Bestandsprovisionen erstattet werden. Nachdem er in den Vorinstanzen abgeblitzt war, gab ihm der BGH nun Recht. Die Formulierung, auf der der Abzug beruht (Bestandsprovisionen sind Teil der laufenden Gesamtkosten), sei intransparent und deshalb unwirksam. Die Formulierung lautete:

Die Gesellschaft erhält aus dem OGAW-Sondervermögen eine tägliche Kostenpauschale in Höhe von 1,5 % p. a. des OGAW-Sondervermögens auf Basis des börsentäglich ermittelten Inventarwertes (vgl. § 18 der “AABen”).

Deutschlands oberste Zivilrichter sahen dabei Folgendes als intransparent an:

  1. Unklar bleibe, in welchem Zeitintervall die Beklagte (die Fondsgesellschaft) diese Vergütung erhalten soll.
  2. Offen bleibe auch, wie die Vergütung für solche Tage zu berechnen ist, die nicht Börsentage sind.
  3. Des Weiteren bleibe der Begriff des „Inventarwerts“ unklar.

Fondssparer unangemessen benachteiligt

Die Folge: „Es bleibt mithin für den Vertragspartner unklar, welche Vergütung er der Beklagten (Fondsgesellschaft) schuldet, obwohl eine klare Regelung ohne weiteres möglich gewesen wäre.“ Im Sinne des Gesetzes (§ 307 BGB) werde der Anleger unangemessen benachteiligt.

§ 307 BGB ist eine zentrale Norm für die Kontrolle von Allgemeinen Geschäftsbedingungen. Basierend darauf wurden vor Jahren z.B. Kreditbearbeitungsgebühren der Banken verboten, was zu einer großen Rückforderungswelle führte.

Der BGH stellte in dem Urteil außerdem klar, dass der klagende Anleger die einbehaltenen Bestandsprovisionen nicht der Höhe nach genau beziffern muss, da dieses Wissen nur die Fondsgesellschaft hat. Die Vorinstanz muss nun entsprechend der BGH-Vorgabe das Endurteil sprechen.

Welche Fondssparer könnten davon noch profitieren?

„All jene, bei denen in den vergangenen Jahren Vergütungen wie Bestandsprovisionen einbehalten wurden und die Grundlage dafür ähnliche Formulierungen sind wie im aktuellen Fall, über den der BGH entschieden hat“, sagt der Düsseldorfer Rechtsanwalt Jens Graf, der den Fall vor den BGH gebracht hat. Besonders wichtig sei das Wort „börsentäglich“.

Wie lange rückwirkend könnten Ansprüche bestehen?

Es könnte die allgemeine Verjährungsfrist von drei Jahren gelten, beginnend am Ende des Jahres, in dem der Anspruch entstanden ist. Das dürfte in diesem Fall der Zeitpunkt des BGH-Urteils sein. „Bei missbräuchlichen Klauseln können es auch 10 Jahre und mehr sein“, so Rechtsanwalt Jens Graf. „Konkret kann das nur ein Anwalt beurteilen.“

Wie hoch könnten die Ansprüche sein?

Im Schnitt, also über alle Fondsgattungen hinweg, betragen die Bestandsprovisionen laut Rentablo-Statistik 0,56 % des Fondsvermögens. Daraus ergibt sich die von Rentablo errechnete Summe von 5 bis 6 Milliarden Euro jährlich, der ein Gesamtvolumen von gemanagten Publikumsfonds in Deutschland von etwa einer Billion Euro zugrunde liegt.

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Das Urteil des BGH zum Download: https://juris.bundesgerichtshof.de/cgi-bin/rechtsprechung/document.py?Gericht=bgh&Art=en&sid=fe1a5fd8f3f2c9cf8880f90e4a05810d&nr=135493&pos=0&anz=1

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