Aktionäre können seit 2009 realisierte Verluste mit Aktien nur mit Gewinnen bei Aktien verrechnen; eine Verrechnung mit anderen Kapitaleinkünften (etwa Gewinne mit Fonds oder Dividenden, für die 25 % Pauschalsteuer anfallen) sind seitdem unzulässig (§ 20 Abs. 6 Satz 5 Einkommenssteuergesetz) . Das oberste deutsche Finanzgericht, der Bundesfinanzhof BFH, hält das für verfassungswidrig und hat das Thema dem Bundesverfassungsgericht vorlegt (Az: VIII R 11/18) Für Aktionäre kann das zu einer großen Erleichterung führen – es könnte aber auch für Fondssparer schlechter werden.
Der Fall: Zwei Eheleute aus Schleswig-Holstein hatten geklagt, weil sie 4.819 Euro Verlust aus einem Aktienverkauf im Jahr 2012 mit rund 3.400 Euro anderen Kapitalerträgen verrechnen wollten. Sowohl das Finanzamt als auch das Finanzgericht Schleswig-Holstein hatten dies abgelehnt. Anders der BFH: Er sah eine nicht mit dem Grundgesetz (Art. 3 Abs. 1) vereinbare Ungleichbehandlung und zerpflückte die Argumenten des Gesetzgebers, die zu dieser Regelung geführt hatten.
Verrechnungsbeschränkung soll vor großen Steuerausfällen schützen
Der Gesetzgeber hatte die Einführung der Verlustverrechnungsbeschränkung (§ 20 Abs. 6 Satz 5 Einkommenssteuergesetz) vor allem mit den von Aktien ausgehenden Risiken für die öffentlichen Haushalte begründet, also der Gefahr von plötzlichen Steuerausfällen. Die Erfahrung der Vergangenheit habe gezeigt, dass Kursstürze an den Aktienmärkten zu einem erheblichen Verlustpotential führen könnten, wie insbesondere die Börsenbaisse der Jahre 2000 bis 2002 gezeigt habe.
Deshalb gilt bei Aktien nun die Verlustverrechnungsbeschränkung. Hingegen sind Verluste aus der Veräußerung anderer Kapitalanlagen, auch solcher, die die Wertentwicklung von Aktien ab- oder nachbilden (z.B. Aktienfondsanteile, Aktienzertifikate, Aktienoptionen) ohne diese Beschränkung verrechenbar. Der Gesetzgeber hatte Kapitalanlagen wie Aktienfonds ausdrücklich nicht einbezogen, weil von ihnen, anders als von Aktien, angeblich “kein qualifiziertes Haushaltsrisiko” ausgehe.
Der Bundesfinanzhof meint dazu:
Die Vorschrift behandelt Steuerpflichtige bei der Bestimmung ihrer steuerpflichtigen Einkünfte unterschiedlich, je nachdem, ob sie Verluste aus der Veräußerung von Aktien oder aus der Veräußerung anderer Kapitalanlagen erzielt haben. Für diese Ungleichbehandlung fehlt es (…) an einem hinreichenden rechtfertigenden Grund.
BFH: Aktienfonds von Marktrisiken gleichermaßen betroffen
Es sei nicht realitätsgerecht, so der BFH, wenn der Gesetzgeber bei der Veräußerung von Aktienfondsanteilen in einem Börsencrash ein geringeres Haushaltsrisiko annimmt. Aktienfonds mindern zwar im Vergleich zu Einzelaktien durch ihre Streuung die Gefahr sehr hoher Verluste, schreiben die Finanzrichter fachkundig, seien aber von gesamtwirtschaftlichen Marktrisiken in gleicher Weise betroffen. Von in Zusammenhang mit einem Börsencrash auftretenden Kursstürzen wären sie ebenfalls erfasst, und eine hierdurch ausgelöste Veräußerung einer großen Zahl von Aktienfondsanteilen würde ebenso wie die Veräußerung von Einzelaktien zu einer Minderung des Steueraufkommens beitragen. Die Gesetzesbegründung verkenne außerdem, dass auch Optionsscheine und Zertifikate zum Teil weit höhere Verlustrisiken als Aktien bergen.
Nun muss sich das Bundesverfassungsgericht damit beschäftigen. Sieht es ebenfalls eine Ungleichbehandlung, so könnte die Vorschrift kippen. Allerdings ist es auch denkbar, dass der Gesetzgeber dann den Auftrag des Bundesverfassungsgericht in eine andere Richtung auslegt – und eine Verlustverrechnungsbeschränkung wie für Aktien für die anderen Kapitalanlagen einführt. Bis zur Entscheidung könnten bis zu zwei Jahre vergehen.
Was tun bis dahin? Unser Tipp: Wer Verluste mit Aktien erzielt hat, sollte sie mit positiven Einkünften aus Kapitalvermögen in der Steuererklärung verrechnen. Das Finanzamt wird das ablehnen. Gegen den Steuerbescheid kann dann Einspruch eingelegt werden mit Verweis auf das anhängige Verfahren verbunden mit dem Antrag, den Einspruch bis zur Entscheidung offenzuhalten.
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