Mehr als 1.400 Satelliten befinden sich aktuell in der Erdumlaufbahn, und es kommen ständig neue hinzu. Sie dienen unterschiedlichsten Aufgaben, von der Telekommunikation über die Wettervorhersage bis zur Navigation und natürlich Spionage und militärischer Aufklärung. Wir haben uns alle schon längst daran gewöhnt, Satellitendienste wie das Navi oder die Übertragung von Nachrichten und globalen Sportereignissen. Für Anleger interessant ist, wie die Weltraumobjekte im Research für Investitionsentscheidungen genutzt werden.
Alleine zwischen dem 21.11. und 31.12.2017 werden weitere 34 unterschiedliche Satelliten – Kleinsatelliten, Wettersatelliten, Erdbeobachtungssatelliten, Kommunikations-, Aufklärungs- oder Navigationssatelliten – in die Erdumlaufbahn geschossen. Die Auftraggeber sind in diesen Fällen Russland, China, USA, Japan, Indien, UK, die ESA, Algerien und Angola. Gestartet wird wahlweise in Russland, Kasachstan, China, den USA, Indien, Japan und Französisch Guyana; auch Südkorea und Neuseeland verfügen über entsprechende Einrichtungen.
19 Prozent der aktiven Satelliten waren im Jahr 2016 laut Statista Erdbeobachtungssatelliten. Insgesamt befanden sich Ende 2016 1.459 Satelliten aus verschiedenen Ländern der Erde im All, davon 192 alleine aus China. Von den im Jahr 2016 in Betrieb genommenen Satelliten hatte gut die Hälfte die Erdbeobachtung als Zweck (Quelle: Statista). Das bedeutet beispielsweise, dass derzeit täglich mehr als 300 Satelliten Fotos der Erde aufnehmen.
Neue Anwendungen dank technischer Fortschritte
Satelliten gibt es in vielen Größen; der allererste und zugleich wahrscheinlich berühmteste Satellit, der sowjetische Sputnik aus dem Jahr 1958, war knapp 83 kg schwer und im Durchmesser 58 cm groß. Bei den heutigen Satelliten handelt es sich zumeist um Kleinsatelliten, die wiederum in Minisatelliten (100–500 kg), Mikrosatelliten (10–100 kg), Nanosatelliten (1–10 kg), Picosatelliten (0,1–1 kg) und Femtosatelliten (< 0,1 kg) eingeteilt werden.
Wenn Experimente mit dem Anfang November gestarteten Satelliten Makersat-0 der University of Idaho erfolgreich sind, werden künftig sogar Satelliten per 3D-Druck auf der Raumstation ISS (International Space Station) produziert und könnten dann von Bord der Station einfach in die Umlaufbahn „geschubst“ werden – aufwändige und teure Raketenstarts könnten so teilweise obsolet werden, einzelne Satelliten könnten on demand in kürzester Zeit produziert und aktiv werden. Das „Schubs“-Verfahren wird übrigens auch heute bereits mit Kleinsatelliten praktiziert, die jedoch zunächst mit einem der Versorgungsflüge zur ISS transportiert werden müssen.
Doch auch so sind die Kosten für den Bau und den Start von Satelliten kontinuierlich gesunken, was neue kommerzielle Geschäftsmodelle ermöglicht.
Investment Research by Satellite
Dies wird auch in Prognosen deutlich, nach denen die Gewinnung von Daten durch Satelliten und ihre Analyse mithilfe etwa der Bilderkennung und entsprechender Algorithmen ein Wachstumsmarkt ist. Laut einer Studie von Market and Markets (Oktober 2016) soll der Markt für Geobildanalyse von 2,77 Mrd. US-Dollar im Jahr 2016 auf 10,21 Mrd. US-Dollar im Jahr 2021 wachsen.
Die gesunkenen Kosten ermöglichen es, dass Analysten mit Technologien der künstlichen Intelligenz (Maschinelles Lernen) Satellitenbilder für mehr als nur die zugegebenermaßen sensationelle Aussicht zu nutzen. Besonders im Finanzsektor haben Satellitenbildanalysen wachsende Bedeutung. Wir beschreiben nachfolgend einige Szenarien, wie Investoren Satellitenbilder und -daten verwenden, um fundierte Bewertungen und Prognosen über Marktentwicklungen zu treffen.
Vorhersage der globalen Rohstoffversorgung
Der Stand des Öls in einem Lagertank kann auf Satellitenbildern anhand der Schatten geschätzt werden, die in den Behälter fallen und je Füllmenge variieren. Erst kürzlich hat das kalifornische Unternehmen Orbital Insight auf eine Anomalie hingewiesen, die seine Beobachtung der Öllager in Saudi-Arabien ergeben hat. Die saudische Regierung hatte nach dem OPEC-Beschluss über eine Kürzung der Ölförderung über mehrere Monate hinweg behauptet, dass die Bestände seiner Öllager sinken. Indessen legt die von Orbital Insight vorgenommene Analyse nahe, dass sich die Bestände der saudischen Öltanks in den letzten 18 Monaten praktisch nicht verändert haben.
Das Beispiel zeigt, wie Satellitendaten-Analysen dazu beitragen können, Investoren mit genauen und regelmäßigen Berichten und Prognosen auf dem Laufenden zu halten. Satelliten können den Aufbau von Lagerbeständen auf einem Minengelände, den Fortgang eines Forstbetriebs oder das Wachstum von Nutzpflanzen auf Ackerflächen weltweit verfolgen. Die Erkenntnisse, die durch diese Art der Beobachtung gewonnen werden, beeinflussen natürlich die Bewertungen von Investitionsmöglichkeiten und können zudem einen entscheidenden Informationsvorsprung bedeuten.
Messung wirtschaftlicher Entwicklungen und Bewegungen
Volkswirtschaften werden in der Regel durch Volkszählungen und andere Methoden der Selbsteinschätzung gemessen, die sich nur schwer prognostizieren lassen. Mithilfe von Satelliten können dagegen heute Wachstum oder Rezession ganzer Volkswirtschaften in Echtzeit beobachtet werden.
Die Verfolgung des Fortschritts von Infrastrukturprojekten in Zentralchina, die Zunahme der nächtlichen Aktivitäten in an der afrikanischen Atlantikküste oder Veränderungen in der Anzahl der Schiffe in der Straße von Malakka sind nur einige der Aktivitäten, die einen Einblick in die wirtschaftliche Lage einer Region oder eines Landes geben können. Diese Informationen können Investoren helfen, die geopolitische Landschaft der Gebiete zu verstehen, in denen sie Investitionen in Betracht ziehen.
Das kalifornische Startup SpaceKnow beispielsweise erstellt für Bloomberg den China Satellite Manufacturing Index (SMI). Dafür werden 6.000 Industrieregionen in China dauerhaft per Satellit beobachtet. Die dabei aufgenommenen Fotos von Gebäuden, Industrieanlagen und Straßen werden mittels proprietärer Algorithmen im Zeitablauf verglichen und festgestellte Veränderungen ausgewertet. In die Analysen fließen auch andere Datenpools wie z.B. Social Media-Fotos ein.
Umsatzprognosen für den Großhandel oder Veranstaltungen
Das Zählen von Autos auf Parkplätzen wird schon lange als Mittel der Wettbewerbsbeobachtung eingesetzt. Wenn es aber um globale Akteure wie Ikea oder Walmart geht, sind dieser Methode Grenzen gesetzt. Werden jedoch Satelliten für diese Aufgabe eingesetzt, genügt die intelligente Auswertung eines einzigen Sets von Satellitenfotos.
Fortschritte im maschinellen Lernen und bei der Auflösung und Erkennung von Gegenständen mit einer Größe ab 30 cm ermöglichen es zum Beispiel, Autos aus einer Höhe von 400 km zu identifizieren und zu zählen. So können die Bewegungen auf Parkplätzen von Einkaufszentren oder Veranstaltungsorten verfolgt und ausgewertet werden. Fluktuationen im Verkehr korrelieren mit Umsätzen an den beobachteten Orten.
SpaceKnow gibt an, dass es mithilfe seiner sogenannten Satellite Artificial Intelligence bereits 2015 automatisch über 460 Millionen Autos an nur einem Tag zählen konnte. SpaceKnow kann zudem Lastwagen, Schiffe, Flugzeuge, Gebäude, Fabriken und Industriestandorte, Getreide und Wasser verfolgen und die Daten entsprechend auswerten. Investoren mit Zugang zu dieser Art von Information können besser fundierte Entscheidungen für ihre Anlagen treffen.
Beobachtung von Entwicklungen eigener und fremder Anlagen
Im Monitoring von Sachanlagen können Satellitenbilder beispielsweise dazu genutzt werden, den Fortschritt eigener oder fremder Immobilienobjekte oder die Tulpenfelder in Holland zu beobachten.
Nicht Bilder, sondern Positionssignale nutzt der Hedgefonds CargoMetrics. Schiffe mit mehr als 300 Bruttoregistertonnen müssen im Abstand von wenigen Sekunden Positionssignale (Automatic Identification System, AIS) an Satelliten senden, die der Vermeidung von Kollisionen dienen, aber auch als Mittel gegen Piraterie nützlich sind. Das Bostoner Unternehmen kauft Datensätze mit diesen Signalen und wertet sie aus, um falsch bewertete Wertpapiere zu identifizieren. Dieses Wissen nutzt CargoMetrics dann in Verbindung mit historischen Schiffsdaten und proprietären Analysen für den eigenen Handel mit Rohstoffen, Währungen und Aktienindex-Futures.
Das Startup Spire Global aus San Francisco wiederum hat mehr als 50 selbst entwickelte, ca. 4kg schwere Nanosatelliten in die Umlaufbahn gebracht, die mit GPS und einem Modul für den Empfang der Schiffs-Positionssignale ausgestattet sind. Spire hat kürzlich in Luxemburg seine Europa-Zentrale mit 250 Arbeitsplätzen eröffnet; zugleich hat sich der Luxembourg Future Fund an dem Unternehmen beteiligt.
Auch Planet entwickelt und baut seine Kleinsatelliten selbst; aktuell steuert das Unternehmen mehr als 175 solcher Flugkörper. Mit dieser Flotte führt Planet jeden Tag einen Scan der gesamten Erdoberfläche durch. Für den Bau der Satelliten werden Komponenten verwendet, die es im Elektronik-Fachhandel gibt; alle 3-4 Monate werden neue Satelliten gelauncht. Die dabei gewonnenen Daten werden Kunden auf einer Cloud-Plattform zur Verfügung gestellt, die über Schnittstellen ihre eigenen Auswertungen und Analysen durchführen können.
Insgesamt haben Investoren in diesem Jahr einem Bericht des Investment-Unternehmens Space Angels zufolge bereits mehr als 2 Mrd. US-Dollar in Weltraum-Startups, zu denen auch SpaceX oder Blue Origin zählen, investiert.
Bastler können sich übrigens selbst einen Satelliten bauen: https://makezine.com/2014/04/11/your-own-satellite-7-things-to-know-before-you-go/
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